Schweden und Norwegen 2023

Tag 1 – Mittwoch, 24. Mai 2023

Endlich Aufbruch. Es hat sich lange nicht richtig angefühlt. Sollen wir wirklich in den Norden reisen, heuer, wo das Wetter bisher in keinster Weise an Klimaerwärmung, eher an das Gegenteil erinnert?
Nun also ging es heute Punkt 10.00 Uhr los. Zunächst das Gefühl, oje, was werden wir alles vergessen haben, dann aber doch sowas wie Vorfreude und Neugierde auf das, was da kommt. Unser erstes Ziel ist ein Stellplatz in Coswig an der Elbe, Marina Camping Coswig. Die knapp 400 km geht es zügig dahin, an der Schranke zum Campingplatz löhnen wir 22 Euro für eine Nacht, wählen Platz Nr. 13 direkt an der Elbe. Die Nachbarn nebenan aus Wismar laben sich an ihrem Kuchen. Erst jetzt sehen wir das Reserviert-Schild, das kaum sichtbar darauf hinweist, dass wir hier eigentlich nichts verloren haben. Die Nachbarn meinen aber, die Reservierung gelte erst ab dem Wochenende. Das lange Pfingstwochenende steht bevor und da werden allerorts die Horden einfallen.
Wir bleiben erstmal stehen, an der Rezeption im dazugehörigen Mittelalterdorf erhalten wir die Erlaubnis für eine Nacht und es ist bereits halb vier am Nachmittag als wir uns mit den Rädern Richtung Wörlitz aufmachen. Zunächst durchs nahegelegene Städtchen Coswig an die Elbfähre. Dort mit einer Strömungsfähre an das gegenüberliegende Ufer. Erstaunlich, wie lautlos und ohne jegliches Zutun die Fähre über den Fluss gleitet. Nach etwa 5 km erreichen wir Wörlitz und den Hauptzugang zu den Gartenanlagen, die, man höre und staune, jederzeit gebührenfrei besucht werden können. Immer wieder schön, wie einen diese abwechslungsreiche Gartenlandschaft mit ihren Wasserflächen, den Bepflanzungen und den abwechslungsreichen Bauten in seinen Bann zieht. Unser Weg führt vorbei am Schloss, der Orangerie, zu Grotten, dem rotem Haus und künstlichen Vulkan, zahlreichen individuell gestalteten kleinen Brücklein, dem Pantheon, zum gotischen Haus usw… Der Kuckuck ruft nahezu unentwegt und ein Reiher treibt sein Versteckspiel mit uns. Die drei herausgeputzten männlichen Pfauen umgarnen zwei unscheinbare Weibchen, denen das Gebaltze aber ordentlich am Arsch vorbeizugehen scheint. Zurück am Campingplatz begeben wir uns direkt in die mittelalterliche Taverne, um dort Hefefladen, zu Deutsch Pizza zu essen und Schwarzbier zu trinken. Wir sitzen in der Sonne, die sich nun endlich, bevor sie sich für heute in die Nacht verabschiedet, in ihrer vollen Pracht zeigt.

Tag 2 – 25. Mai 2023 von Coswig über Dessau nach Sassnitz Rügen

Nach dem Frühstück brechen wir auf nach Dessau. Zunächst besichtigen wir das Bauhausmuseum. Na ja, es haut einen nicht grad um. Der anschließende Fußmarsch zum Welterbe Bauhaus-Gebäude ist anstrengend, das Gebäude selber leider mit etlichen Baugerüsten verunstaltet, die Hausbesichtigung sparen wir uns, da hier auch nur sehr eingeschränkt was zu sehen ist wegen der Baumaßnahmen. Wir marschieren weiter zu den Meisterhäusern. Hier wohnten sie die Größen dieser Zeit von Gropius bis Kandinsky und Klee. Doppelhäuser, alle von der Einteilung ähnlich, individuell in der Farbgestaltung. Das schwarze Esszimmer von Kandinsky ist schon heftig. Nicht alle Gebäude sind im Original erhalten, sie wurden in den Außenformen wieder errichtet, innen aber für Ausstellungen konzipiert.
Zurück zum Auto und nun aber los auf die Autobahn. Es liegen noch gut 450 km bis Rügen-Sassnitz vor uns. Gegen 19.00 Uhr kommen wir am Stellplatz am Stubbenkammer an und suchen uns ein Plätzchen ganz hinten am Waldrand.

Tag 3 – 26. Mai 2023 von Sassnitz mit der Fähre nach Trelleborg in Schweden

Der Morgen ist wieder recht kalt, gut, dass unsere Busheizung im Moment problemlos funktioniert und sich schnell eine wohlige Wärme verbreitet. Das kleine Badezimmer gleicht dann einer Sauna. Nach recht opulentem Frühstück mit Ei, Tomaten, Schafskäse nehmen wir eine Dusche. Vorher aber sind je 4 Minuten 1 Euro für einen Duschvorgang zu berappen. Der Eingang in den WC-Duschbereich verlangt zusätzlich noch 0,50 Euro für den Eintritt. Das haben wir schon gelernt, jeder kleine Dienst kostet extra.
Nach der Morgenroutine machen wir zu Fuß auf und folgen der gelben Beschilderung zum Hertasee und Königsstuhl. Immer wieder schön der Buchenwald, der mittlerweile zum Weltkulturerbe Yasmund gehört. Um diese Morgenstunde ist kaum ein Tourist unterwegs, es ist sonnig, die Vögel zwitschern und gut eingepackt in unsere dicken Jacken ist es uns auch angenehm warm. Kurz nach dem Hertasee, in dem der Sage nach irgendwelche Jungfrauen verschwunden sind, biegen wir rechts ab und folgen der Beschilderung zur Viktoriasicht. Dort am hohen Ufer hat man einen schönen Blick auf die Kreidefelsen und im Gegensatz zum Königsstuhl in einigen Hundert Metern Entfernung hat man hier noch freien Zugang. Wir wandern dann am hohen Ufer Richtung Königsstuhl, den wir heute aber rechts liegen lassen, uns die 20 Euro Eintritt sparen und wieder zurück zum Parkplatz und unserem Auto wandern. Jetzt haben sie alle abgefrühstückt und strömen in Scharen, entweder durch den Buchenwald zu Fuß oder bequem mit Bussen direkt ans Ziel. Als wir vor 33 Jahren, kurz nach der Wende, zum ersten Mal hier waren, war von der Touristenmaschinerie noch nichts zu sehen. Kein Eintritt, keine Infocenter und über eine Treppe konnte man hinabsteigen an die steinige Küste der Ostsee. Davon ist heute nichts mehr vorhanden.
Zurück am Auto brechen wir schon bald unsere Zelte ab und brechen auf Richtung Fährhafen Mukran-Sassnitz. Das Einchecken geht schnell und problemlos. Direkt vor uns steht ein weiterer Grand California mit Schweizer Kennzeichen. Bei einem Plausch über Gott und die Welt warten wir kurzweilig bis wir in den Bauch der Fähre gerufen werden. Rückwärts geht es heute zu Winfrieds Leidwesen, der heute mit Fahren dran ist, auf die Fähre. Auch bei dieser Reise behalten wir die Regelung des täglichen Fahrerwechsels bei.
An Deck suchen wir die beiden gebuchten Sitzplätze und packen dann die Brotzeit aus. Den Rest der knapp 2,5 Std. verbringen wir dösend. Kurz nach 17.00 Uhr kommt Land in Sicht und die ersten Passagiere machen sich auf den Weg wohin auch immer. Überpünktlich legt die Fähre in Trelleborg an und flugs sind wir außerhalb der Stadt und finden schnell zum ausgesuchten Campingplatz Nybostrand am Südufer, knapp 10 Km in Richtung Ystad. Die junge Frau an der Rezeption ist freundlich, alles kein Problem, der Platz Nummer 12 soll es sein, kostet alles zusammen 260 Kronen (ca. 22,50 €) inclusive. Strom etc., etc.
Schön und ruhig ist es hier, ein paar Schritte sind es zum Meer, die Sonne scheint und so genießen wir erstmal unsere Ankunft in Schweden.

Tag 4 – 27. Mai 2023 – nach Ystad

Am Morgen strahlend blauer Himmel und wir können im Freien frühstücken. Die etwa 35 km Fahrt nach Ystad sind sehr entspannt. Überhaupt ist der erste Eindruck von Schweden: alles viel beschaulicher und ruhiger als bei uns, die Straßen nahezu leer, das Tempo gedrosselt, maximal 80 km/h. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass heute Pfingstsamstag ist und alle noch in ihren Betten liegen. Einige wenige Kilometer vor Ystad parken wir direkt am Meer und neben der Kläranlage auf einem WoMo-Stellplatz, löhnen am Automaten 100 Kronen für eine Nacht und ergattern im zweiten Anlauf noch einen Platz mit direktem Meerblick.
Nach kurzem Ankunftsprozedere brechen wir mit den Rädern auf Richtung Ystad. Wir können Fahrradwege und Nebenstraßen nutzen, auch das Radfahren ist sehr entspannt. Vorbei an der Kläranlage, die an der vom Stellplatz abgewandten Seite einen ziemlichen Gestank ausströmt, weiter vorbei am Hafen, wo die Fähren Richtung Polen abgehen und ankommen und zum Bahnhof und über die Straße zur Info. Wir parken unsere Räder, besorgen ein paar Stadtinfos und schlendern durch die Stadt. Schmale Gassen, am Alten Rathaus sammeln sich Musiker, Kinder und Jugendliche und ein uniformierter Trupp. Zunächst geben die Kinder ihr Bestes, klingt aber recht bescheiden und so verziehen wir uns weiter durch die Gassen der Stadt. Alte Fachwerkhäuser und Klinkermauerwerk dominieren. Ystad soll die schwedische Stadt mit den meisten alten Fachwerkbauten sein. Die Privathäuschen sind alle in einem sehr überschaubaren Format, erdgeschossig mit Satteldach, viel Wohnraum scheint man hier nicht zu brauchen. Ein Abstecher zu einem Kloster, wo wir im beschaulichen Garten unseren Tee trinken, um uns dann auf Kommissar Wallanders Spuren zu begeben und in Fridolfs Konditorei die mit türkisblauen Zuckerzeug überzogene fette Torte einzuverleiben. Es soll Wallanders Lieblingsgebäck gewesen sein. Danach schlendern wir weiter durch die Stadt, vorbei am neuen Rathaus auf der Suche nach den Filmstudios, die zu besichtigen sein sollen. Als wir feststellen, dass es doch weiter dorthin ist, holen wir die Räder und radeln dorthin. Leider ist die Besichtigungszeit für heute gerade vorbei. Schade. Wir radeln zurück zum Auto und genießen die strahlende Sonne im Liegestuhl und schauen aufs Meer, bis der auffrischende Wind uns ins warme Wageninnere vertreibt. Abends gibt es Salat mit gebratenem Fisch, schmeckt gut, aber der Abwasch ohne warmes Wasser im Auto gestaltet sich schwierig.
Noch ein Spaziergang am Meer und die Lesung aus der Brandmauer, einem Krimi von Henning Mankell beschließen den Abend. Um 10 Uhr abends ist es noch immer nicht richtig dunkel.

Tag 5 – 28. Mai 2023 – von Ystad nach Ales Stenar – Burg Glimmingehus – Strand von Sandhammaren – Campingplatz in Kivik

Leicht bewölkt zeigt sich der Himmel heute. Unser erstes Ziel ist Ales Stenar:

„Die aus 59 Steinen bestehende Schiffssetzung liegt auf einem etwa 37 Meter hohen Hügel direkt an der Ostseeküste beim Ort Kåseberga im Süden Schonens. Der Küstenabschnitt ist von einer steil zum Meer abfallenden Abbruchkante geprägt.
Die 0,5 bis 1,8 Tonnen schweren Steine sind in Form eines Schiffes angeordnet. Die etwa drei Meter hohen Stevensteine von Bug und Heck sind am größten, die Höhe der Steine nimmt von dort zur Mitte hin ab. Während der Großteil der Steine aus örtlich vorkommendem Sandstein ist, bestehen einige Steine aus Hardebergasandstein, der etwa 20 Kilometer entfernt bei Simrishamn gebrochen wurde.“

soweit Wikipedia

Einen knappen Kilometer wandern wir vom Parkplatz hinauf zu den Steinen von Ales Stenar. Zunächst geht es durch das Dörfchen Kåseberga und weiter durch Wiesen, auf denen Kühe gemächlich grasen, bis sich auf der Anhöhe die Steine zeigen. In einiger Entfernung starten Gleitschirmflieger, sie kommen näher, streifen fast den Boden, tauchen an der abfallenden Steilküste ab und kriechen wieder empor, drehen ihre Runden zum Erstaunen der, um diese frühe Stunde noch vereinzelten Besucher. Wir um- und durchwandern die Steinformation, blicken hinaus aufs Meer, wandern zum Steilufer, das von der gelben Blütenpracht der Jakobskreuze leuchtet. Auf dem Rückweg wandern wir hinab zu einem kleinen Hafen. Dort warten die Kioske und Kneipen auf Besucher, die vielleicht im Laufe des Pfingstsonntag zum Ausflug hier vorbeikommen. Zurück zum Auto liegt, wie überhaupt überall im Moment, der Duft von Flieder, der hier allerorts im Moment in voller Blüte steht. Der Frühling zeigt sich von seiner prächtigsten Seite. Die Obstbäume, die Rapsfelder und alles Mögliche an Sträuchern und Bäumen stehen in voller Pracht. Das Blau des Himmels mit den weißen Wölkchen vervollständigen die Herrlichkeit.
Weiter geht es wenige Kilometer zum Strand von Sandharmmaren. Schon sehr beeindruckend der extrem feine weiße Sand, die Breite des Strandes, der von üppigen Dünen zum Land hin begrenzt wird. Wir laufen ein Stück am Meer entlang, für ein Sonnenbad oder gar ein Bad im Meer ist es definitiv zu kalt. Weiter geht unsere Fahrt durch leicht hügeliges Weideland mit grasenden Kühen, das vom üppigen Gelb der Rapsfelder durchbrochen wird. Die Felder sind riesig und die zugehörigen Höfe liegen als Einöden in der Landschaft. Wir erreichen die mittelalterliche Burg Glimmingehus, die besterhaltene Burg Skandinaviens, die aber so gar nicht an das erinnert, was wir uns unter Burg vorstellen. Eine mehrgeschossige Wohnburg mit Treppengiebeln und sich zum Quadrat schließenden erdgeschossigen Nebengebäuden, das ganze umgeben von einem Wassergraben. In der Burg beeindrucken vor allem der große erdgeschossige Gewölberaum, die Burgstube und eine Etage höher der Rittersaal.
Im zugehörigen Kräutergärtlein schnuppern wir an Ysop, Lavendel, Beinwell, Thymian usw.
Zurück am Auto begeben wir uns erst mal in die Horizontale und fallen in einen 30-minütigen Schlaf.
Kivik, unser heutiges Endziel, liegt inmitten des Apfelanbaugebiets von Österlen. Die gedrungenen Bäume der Apfelfelder stehen gerade in voller Blüte, ein herrlicher Anblick. Am weitläufigen Campingplatz suchen wir uns ein Plätzchen direkt am Waldrand, sonnenbeschienen und etwas vom Nachmittagswind verschont, so hoffen wir. Bis alles passt müssen einige Hürden genommen werden, zunächst fehlt ein Stromanschluss, dann das passende Kabel. Beim kurzen Abstecher ins Dorf durch ein Wäldchen, dessen Boden aus einem Meer von weiß blühendem Bärlauch besteht, entdecken wir das 75 m im Durchmesser kreisrunde Königsgrab, die Wirtshäuser haben für heute bereits geschlossen oder öffnen überhaupt erst zu Saisonbeginn irgendwann in den kommenden Wochen. Spätestens zur Sommersonnenwende am 24. Juni dürfte dann voller Betrieb sein.
Morgen wollen wir mehr vom Ort sehen und zum nahegelegenen Nationalpark Stenshuvud.

Tag 6 – 29. Mai 2023 – Kivik – Nationalpark Stenshuvud

Bereits gegen vier Uhr morgens blinzelt die Sonne durch den lichten Eichenwald. Zu früh um aufzustehen drehe ich mich nochmal um und schlafe weiter.
Gegen halb elf fahren wir mit den Rädern etwa 8 Kilometer zum Eingang des Nationalparks Stenshuvud. Eine Rangerin am Parkplatz macht uns aufmerksam, dass wir hier mit den Rädern nicht weiter dürfen. Wir parken die Räder und die Rangerin erklärt uns die Wege durch den Park und zeigt auf das kleine Informationszentrum. Wir folgen zunächst der roten Wegmarkierung zum höchsten Punkt auf 97 m. Es geht durch einen lichtdurchfluteten Laubwald mit Buchen, Eichen und Hainbuchen. Immer wieder im Schatten der Bäume riesige Flächen mit blühendem Bärlauch, bereits abgeblühten Buschwindröschens, Maiglöckchen und langstieligen Farnen. Überhaupt sind Flora und Fauna sehr üppig. Ganz oben auf den Gipfeln, es gibt hier drei davon, weitet sich der freie Blick übers Meer. An klaren Tagen soll hier Bornholm zu sehen sein. Wir sehen es heute nicht. Auf dem steinigen Untergrund ist das Wandern mitunter recht anstrengend und der Wanderer tut gut daran, seine Schritte bedacht zu setzen. Nach der Gipfelerstürmung geht es treppab, zur gelben Wegmarkierung, der wir auf steinigen Wegen folgen bis wir schließlich zum Strand kommen. Auf unserer Minidecke strecken wir unsere Glieder im weißen Sand aus und genießen die warmen Sonnenstrahlen des Frühlings. Es ist eine herrliche Ruhe, nur die Brandung singt uns ein Wiegenlied. Gestärkt geht es nach etwa einer Stunde weiter Richtung Ausgangspunkt, wir überqueren eine Wiese mit bereits verblühten Kuhschellen und sind dann beim kleinen Informationszentrum, das über Flora und Fauna des Parks sehr anschaulich dokumentiert. Auf dem Rückweg machen noch ein paar Schnappschüsse von blühenden Apfelbäumen und Rapsfeldern. Im Supermarkt von Kivik kaufen wir Ost, Gemüse, Käse und Nudeln und stellen fest, dass die Preise eigentlich mit den unseren vergleichbar sind. Das Gerücht, hier sei alles viel teurer, können wir bisher nicht bestätigen.
Heute ist nicht mein Schreibtag, die Worte fließen nicht richtig, von daher mache ich jetzt erstmal Schluss für heute. Morgen ist auch ja auch noch ein Tag.

Tag 7 – 30. Mai 2023 – Kivik – Brösarp – Kivik

Das Wetter ist herrlich und wir haben beschlossen, noch einen weiteren Tag hier zu bleiben, die Apfel-Mosterei im Ort zu besuchen und mit dem Rad zum Dorf Brösarp zu fahren. Die 10 km geht es an der Hauptstraße entlang, mal mit und mal ohne Radweg. Durch die Hügellandschaft, es geht mal sanft noch oben und wieder nach unten, passieren wir heideartige Wiesen, Wiesen mit weidenden Kühen, üppig gelbe Rapsfelder und blühende Apfelplantagen. Wir biegen nach links zu einem etwas erhöht liegenden Kirchlein mit umgebendem Friedhof ab. Von hier öffnet sich ein herrlicher Blick über weite Rapsfelder.

Einen weiteren Stopp legen wir links der Straße an einem Parkplatz ein und wandern den Schlüsselblumenhang hinauf. Leider ist die Blütezeit schon vorbei, nur noch vereinzelt zeigen sich die gelben glockenförmigen Blüten.
Nach drei weiteren Kilometern haben wir das Dorf Brösarp erreicht, fahren mal links und mal rechts, können aber so einen richtigen Dorfkern nirgends entdecken. Hatte ich nicht in einem Reiseführer gelesen, dass das hier ein besonders schönes Dorf sein soll. Der Schreiber dieser Zeilen muss wohl einer Sinnestrübung zum Opfer gefallen sein. In einer Apotheke, in der wir nach Eintritt eine Nummer ziehen müssen, erstehen wir sowas wie Pantoprazol, das wir nicht dabei haben, da ich wohl stattdessen zweimal Paracetamol eingepackt habe.
So treten wir bald wieder den Rückweg an und fahren zur örtlichen Apfelmosterei, wo wir dann auch prompt wieder unseren Campingnachbarn aus Karlsruhe treffen. Im zugehörigen Restaurant essen wir zunächst zu Mittag, gut und günstig und besichtigen dann den Werdegang vom Apfel zum Most in dem kleinen aber feinen Museum. Anschließend schlendern wir durch den angrenzenden Apfelgarten, und bewundern die alten, knorrige mannshohen Apfelbäume, die weit ihre Äste ausbreiten.
Im Dorf Kivik kaufen wir im Fischladen, der einer der besten des Landes sein soll, geräucherten Lachs in Zitrone. Der mächtige Fischmann hinterm Tresen ist über die Maßen freundlich und erwidert auf all unser Gestammel ein breites und ausladendes „Absolutly“.
Der Fisch schmeckt vorzüglich. Am Abend stellen wir unsere Campingtische zusammen und essen und plaudern mit unserem Campingnachbarn Bernhard bis uns die aufsteigende Kühle in unsere Minibehausungen vertreibt.

Tag 8 – 31. Mai 2023 – Kivik – Karlskrona

Das Ziel für heute ist Kalmar oder Öland, eine Strecke von etwa 220 km, aber bereits bei Karlskrona beschließen wir einen Zwischenstopp und quartieren uns für 2 Nächte auf dem Campingplatz Draxöd, der bei Karlskrona eine ganze Insel einnimmt. Wir finden einen schönen Platz etwas erhöht mit Blick aufs Wasser. Am Nachmittag radeln wir die etwa drei Kilometer ins Zentrum von Karlskrona. Der Wind bläst heute mitunter ordentlich und so können sich die sonnigen 23 Grad heute auch relativ kühl anfühlen.
Den monumentalen Hauptplatz dominieren in der Mitte die Statue des Stadtgründers Karl XI., die Dreifaltigkeitskirche mit der dem Pantheon nachempfundenen Kuppel und die barocke Frederikskirche. Karlskrona ist Marinestützpunkt und der alte Marinehafen ist Weltkulturerbe. Was da genau Welterbe ist, erschließt sich uns nicht, vor allem weil vieles Militärgebiet und nicht zugänglich ist.

Tag 9 – 1. Juni 2023 – Karlskrona

Heute steht der Besuch des Marinemuseums in Karlskrona an. Bereits vor 10 Uhr sind wir vor Ort und stehen vor noch geschlossener Tür. Dem Eingang nähert sich auch eine laut lärmende Schulklasse mit Halbwüchsigen. Wir wenden uns nochmal Richtung Wasser und treiben dort mit einer Rutsche, die sich durch einen riesigen weißen Schädel windet und einem Sprungturm unsere Späße. Die Jugendlichen sind bereits ins Innere des Museums verschwunden und wir wagen uns nun ebenfalls hinein. 150 Kronen pro Person sind als Eintritt fällig, Ermäßigung für Alte gibt es hier nicht.
Schöne Schiffsmodelle, historische Einblicke in Kriegsmaschinerie, sehr realistische Szenen aus dem Marinebetrieb im Laufe der Jahrhunderte. Mit einem Aufzug geht es in die Tiefe, Schilder an den vorbeiziehenden Wänden weisen darauf hin, dass wir uns bereits unter Wasser befinden. Wir gelangen in einen Rundgang, wir erblicken durch die Luken Teile eines Schiffswracks unter Wasser, ein großartiger Einfall der Museumsplaner. Über eine Wendeltreppe gelangen wir wieder nach oben. Sehr schöne Präsentation, tolle Einfälle, ein Raum mit riesigen Galionsfiguren, eine riesige Schiffswand bildet eine Raumabgrenzung.
Die Kriegsszenerien, die Verletzten, der Soldat, dem gerade das zerschossene Bein amputiert wird, sind nicht schön, wohl aber realistisch. Zeigen den ganzen Irrsinn eines Krieges. Wozu um alles in der Welt diese Gemetzel.
In der U-Boot-Halle finden sich zwei komplette U-Boote, das größere kann auch innen besichtigt werden. Drangvolle Enge und Technik über Technik, Einblick in eine winzige Kabine, sicher die Bleibe eines Offiziers. Die einfachen Soldaten mussten sich mit einer viel weniger luxuriösen Behausung zufriedengeben. Schön war das sicher nicht. Über ein Sehrohr blicke ich nach draußen. Hier darf man alles anfassen, nicht mal den Rucksack muss man abgeben. Da erinnere ich mich an die Lächerlichkeit in Dessau vor wenigen Tagen, wo wir sogar unsere Wimmerl am Bauch abgeben mussten. Die Deutschen spinnen so was von….
Im Außenbereich kann ein altes Segelboot und ein „Robotboot“ besichtigt werden, in einer weiteren Halle finden sich alle möglichen von der Marine benutzen Beiboote. Ein Schild klärt auf über die Unterschiede von Barkasse, Kahn, Gig, Jolle und Schaluppe, aber frage mich nicht ….
In der Kantine im Museum essen wir zu Mittag. Hier essen hauptsächlich Bedienstete aus den umliegenden Betrieben. Für einen pauschalen Betrag von 150 Kronen je Person kann man sich am Büfett bedienen so viel man will und Wasser gibt es gratis dazu, auch soviel man will. Die Fleischbällchen mit Sauce, der Salat, die Kartoffeln schmecken sehr gut. Ich nehme noch gebratenen Fisch und eine Art geröstete Knödel, was nicht so ganz das meine ist.
Nach dem Essen machen wir uns in den Geschäften der Stadt auf die Suche nach irgendwas, was unsere Tischdecke bei Wind am Tisch hält und nach einer kleinen Uhr, die wir über unserem Bett anbringen können. Beides können wir nicht finden und fahren zurück zum Campingplatz. Der Himmel zieht sich mehr und mehr zu, erste dunkle Wolken künden den kommenden Regen an. Wir verbringen den Rest des Nachmittags im Auto. Auch mal ganz schön. Es fällt leichter Regen. Übrigens der erste Regen seit wir in Schweden sind.
Abends machen wir noch einen Spaziergang über die Insel, gut eingepackt, es ist recht kühl geworden.

Tag 10 – 2. Juni 2023 – von Karlskrona nach Böda Hamn auf der Insel Öland

Die Insel Öland, die über die längste Brücke Schwedens mit dem Festland verbunden ist, ist unser heutiges Ziel. Im Norden, wo es besonders schön sein soll, wollen wir zum kommunalen Stellplatz Böda Hamn an der baltischen See. Zunächst führt uns das Navi durch unwegsames Gelände ins Nirgendwo. Dort, wo angeblich unser Ziel sein soll, ist nur Grünzeug zu sehen. Ein erneuter Blick aufs Navi zeigt unser Ziel in etwa 60 km Entfernung. Also, auf ein Neues. Immer wieder will uns das Navi in die Irre führen. Schließlich kommen wir doch noch an im kleinen Hafen von Böda Hamn, einige der weißen Flotte haben hier schon Quartier bezogen. Nach dem Ankunftsprozedere suchen wir im Heck unseres Autos Schutz vor dem kalten Wind. Am Nachmittag radeln wir zunächst Richtung Norden und finden einen herrlichen einsamen Sandstrand mit mächtigen Dünen und Sand, so fein, wie ich ihn noch nie vorher gesehen habe. Herrlich. Spontan beschließen wir, morgen hierher zum Sonnenbad zu kommen. Jetzt aber erstmal weiter. Wir sind auf der Suche nach einer der zahlreichen alten Windmühlen, wie wir sie auf unserer Herfahrt bereits gesehen haben. Jetzt aber zeigt sich keine einzige, wir radeln durch ewige Wälder, kommen irgendwann auf der gegenüberliegenden Inselseite an und radeln dort weiter Richtung Norden, dann aber, warum auch immer überqueren wir die Insel erneut auf nicht gerade gut befahrbaren Wegen, was uns, vor allem aber Winfried arg zusetzt. Nach mehr als 40 Kilometern landen wir wieder am Hafen und unserem Auto. Zur Belohnung gibt es heute panierten Fisch mit Kartoffelpüree und Gurkensalat aus der Bordküche.

Tag 11 – 3. Juni 2023 – Böda Hamn und Umgebung

Wie geplant fahren wir nach dem Frühstück, das wir übrigens im Freien einnehmen, an den schönen Sandstrand und aalen uns einige Stunden in der Sonne. Selbst ein kleines Fußbad in der baltischen See, das der alte Kneipp sicher als sehr gesundheitsfördernd beurteilt hätte, gehört zum heutigen Programm. Es ist wunderbar. Obwohl die Temperatur im Schatten höchstens 15 Grad beträgt, ist es herrlich und angenehm warm und windstill.
Weit nach Mittag brechen wir auf, wollen heute in die andere Richtung, also etwas südwärts mit dem Rad, um doch noch eine der alten Windmühlen zu finden. Es bewölkt sich und ein Wind kommt auf, was das Radfahren recht anstrengend macht: Die Augen Tränen, die Nase läuft.
Aber auch hier finden wir nur Bauernhöfe, kleine Weiler und schließlich einen Flohmarkt mitten in der Pampa und ein kleines Stück weiter, ebenso einsam und nur über einen Schotterweg zu erreichen, zunächst das Fragment einer alten Windmühle, die wohl gerade saniert wird und noch ein Stück weiter ein kleines Café. Wir trinken Apfelsaft aus Kivik und essen Schokoladen- und Karottenkuchen. Alles sehr lecker.
Der Rückweg ist relativ kurz und der Wind kommt jetzt meist von hinten, sodass das Radeln direkt angenehm und von einer gewissen Leichtigkeit ist.
Der Platz hat sich ziemlich gefüllt, viele Schweden säumen das Ufer. Ein riesiges Gefährt, doppelt so lang wie unseres, sucht nach einem geeigneten Platz für das Monster. Wir aber wenden uns zu Fuß Richtung Norden und erkunden das direkt angrenzende Vogel- und Naturreservat. Schilder verbieten das Betreten bestimmter Bereiche in der Zeit zwischen 1. April und 15. Juli, dem Schutz der brütenden Vögel.
Am Abend, nach der warmen Dusche gibt es Spaghetti aglio e olio von Meisterkoch Winfried.

Tag 12 – 4. Juni 2023 – Von Öland über Kalmar nach Blankaholm

Wir verlassen Öland. Endlich Windmühlen in reichlicher Zahl auf dem Rückweg zum Festland. In Kalmar nehmen wir einen Parkplatz unweit der großen Brücke und radeln Richtung Zentrum und Schloss. Ein nettes Städtchen, ein riesiger Platz mit einer barocken Kirche, die eher an einen Palast erinnert. Am von Wassergräben umgebenen Schloss dominieren heute nicht die mächtigen Türme, es sind vielmehr die herausgeputzten jungen Menschen, die hier was auch immer feiern. Bildhübsche junge Frauen, allesamt in langen Gewändern von Familienangehörigen begleitet und von Fotografen in den Parkanlagen des Schlosses in Positur gebracht und in schwarze Anzüge als Ritualhüllen gesteckte junge Männer, die hier leider hinter den Mädchen das Nachsehen haben.
Einige Teile der alten Stadtmauer gibt es noch zu besichtigen, ebenso ein mit Klinkermauerwerk erstellter Wasserturm aus vergangener Zeit. Dann hat es sich aber auch schon.
Quartier beziehen wir heute auf dem Naturcampingplatz Blankaholm. Sehr schön gelegen in den Schären am Ufer eines der zahlreichen Ostseearme. Direkt am Ufer sind alle Plätze belegt oder das Gelände ist einfach zu uneben und so beziehen wir Quartier auf einer großen Wiese, die uns fast alleine gehört. Gegen Abend kommt der Campingbesitzer, ein Deutscher namens Stefan, mit einer Schwedin verheiratet. Beide treiben hier ihre Geschäfte, verkaufen alles, was sie zwischen die Finger bekommen, neben dem herkömmlichen Camping kann man aus der Gefrier vom Brot bis zum Eis alles haben, Tipps fürs Fahrradfahren gibts auch, der unleserliche Flyer ist für 5 Kronen zu haben, die Frau fährt raus mit einigen Gästen zum Fischen, den Fang kann man dann am nächsten Tag geräuchert bekommen.

Tag 13 – 5. Juni 2023 – Blankaholm – Östra Skälö – Blankaholm

Die Sonne strahlt vom blauen Himmel und wir frühstücken auf der Wiese. Am späten Vormittag wird am Wasser der Platz Nr. 28 frei und wir beziehen dort Quartier. Sehr schön. Dann aber brechen wir mit den Rädern auf und wollen nach Östra Skälö, etwa 25 km entfernt. Wunderbar geht es durch Wälder, die Bäume finden tatsächlich Platz zwischen riesigen Steinen. Es geht permanent auf und ab, zum größten Teil auf gut befahrbaren Schotterwegen, die hier aber auch der Erschließung der einzelnen Anwesen entlang der Strecke dienen. Immer wieder taucht ein Arm der Ostsee auf, auf den Wiesen mähen die Bauern Gras, daneben am Ufer grasen die Kühe. An unserem Ziel Östra Skälö essen wir auf der Veranda zum Meer hin zu Mittag. Snizel oder so ähnlich mit Pommes und etwas Salat, ganz lecker, die Bestellung ist nicht einfach. Die jungen Schweden, das ist uns jetzt schon mehrfach aufgefallen, sprechen ja ein ganz schlechtes Englisch. Sind die Schweden laut Pisastudie nicht so gut? Ja, ja, traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast.
Auf dem Rückweg legen wir am Ufer eines Schärenarmes eine Pause ein. Zurück am Campingplatz sitzen wir am Ostseeufer vor unserem Auto. Zum Abendessen soll’s nur Tomatensalat mit Toast geben, aber da kommt just der Campingwirt mit geräuchertem Fisch. Es darf eine Barbe für 300 Kronen sein. Der Mann langt hin. Der Fisch aber schmeckt ganz gut.

Tag 14 – 6. Juni 2023 – Blankaholm – Nyköping

Wir verlassen den Naturcampingplatz Blankaholm bevor sich Stefan, der überaus geschäftstüchtige Eigentümer, unseren kompletten Reiseetat einverleibt hat und fahren etwa 200 km Richtung Norden nach Nyköping, um dort am Hafen für eine Nacht Quartier zu beziehen. Vorher aber machen wir von Norrköping einen Abstecher ins 30 km entfernte Dörfchen Risinge, um die Gamla Kyrka zu besichtigen. Die Marienkirche aus dem 12. Jahrhundert mit ihren ganz besonderen Kalkmalereien aus dem 15. Jahrhundert wollen wir unbedingt sehen, stehen aber vor verschlossener Tür. Schade. Winfried lässt die Drohne steigen, mal sehen, was die Aufnahmen hergeben. Ich unterhalte mich inzwischen mit vier Pferden, die hier auf der Wiese stehen.
Dann also weiter nach Nyköping an den Hafen. Heute ist der Nationalfeiertag der Schweden, keine Ahnung, was sie genau feiern, sich selber wahrscheinlich, zumindest sind viele Autos und Häuser blau-gelb beflaggt. Nach dem Ankunftsprozedere – noch glauben wir, dass der Platz hier inklusive Strom kostenlos ist, so zumindest steht es so in einem unserer Reisebücher – machen wir uns auf den Weg in Richtung Hafenpromenade. Auf der gegenüberliegenden Seite der Nyköpingsan, die hier in die Ostsee mündet, geben Gruppen von Schülern musikalisch ihr Bestes, die Außenplätze der Lokale sind gut besucht, die Straßen mit Menschen gefüllt. Wir gehen weiter in die Innenstadt, die eigentlich nichts zu bieten hat, was einen Besuch rechtfertigt, erstehen in einem Einkaufszentrum eine Wanduhr für unser WoMo, beobachten eine Gruppe fahnentragender alter Herrn, die hier Aufstellung nehmen. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen, vor allem der Anführer der Truppe in seiner verschlissenen Uniform. Die Nachhut der Gruppe bilden eine Handvoll dunkelhäutiger Menschen, die ebenfalls mit schwedischer Flagge bewaffnet sind. Auf der Grünanlagen hinter der Schlossruine ist ein Fest im Gange. Auf den Grünflächen sitzen die Menschen und lauschen den Darbietungen auf einer kleinen Bühne. Eine Gruppe bringt gerade einen Volkstanz zum besten, es folgt eine Militärkapelle, die den Einmarsch der fahnentragenden Gruppe begleitet. Auf der Bühne finden dann Ehrungen von Bürgern statt, wofür auch immer. Die meisten erhalten eine kleine Trophäe, die der Sprecher mit „SM Gold“ ankündigt.
Genug des nationalen Getummels trollen wir uns zurück zum Stellplatz, wo wir erst jetzt bemerken, dass man von uns Geld über die Easy Park App haben will.
Nach dem Essen machen wir uns nochmal auf den Weg und entdecken doch noch eine sehr schöne Seite des Städtchens. In der Parklandschaft beiderseits des Flusses findet sich eine Art Kunstmeile, Brücklein, Plätze zum Verweilen, Lokale im Grünen und viel Natur. Bei einem Steinbildhauer weckt ein florales Objekt unsere Aufmerksamkeit. Der Künstler gibt uns zu verstehen, dass dieses noch in Arbeit ist, es muss noch geschliffen werden. Wir finden es so schön, aber 1500 Euro wollen wir so einfach nicht ausgeben.

Tag 15 – 7. Juni 2023 – Von Nyköping zum Bredängs Camping – Stockholm

Früh brechen wir heute auf. Zunächst ist unser Ziel der Campingplatz Bredängs, etwas 10 km von Stockholms Zentrum entfernt. Tatsächlich finden wir noch ein Plätzchen mit Strom, es gibt auch eine unleserliche Kopie mit einer Wegbeschreibung, um mit dem Fahrrad ins Zentrum Stockholms zu kommen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten finden wir in die Innenstadt und unser erstes Ziel, das Vasa-Museum.
Der Eindruck ist überwältigend. Ein Museum, das man um das fast vollständig erhaltende 62 m lange und über 50 m hohe Wrack eines der größten Kriegsschiffe seiner Zeit gebaut hat und das bereits bei seiner Jungfernfahrt im Jahre 1628 sank. Auf mehreren Ebenen kann man das Schiff umrunden, die zahlreichen Skulpturen bewundern, ebenso die Kanonen-Klappen mit den Löwenfratzen, die mächtigen Taue, die Takelage und tolle Rekonstruktionen von Kanonendeck, Kapitänskajüte, das Werftleben und vieles mehr.
Nach diesem Höhepunkt radeln wir zur alten Markthalle Östermalms Saluhall, schlendern durch die prächtige Halle und bewundern die Stände mit schwedischen Spezialitäten. Nun geht es zum königlichen Schloss auf der Insel Gamla Stan, weiter durch die Altstadtgässchen zum Stortorget, dem absoluten Zentrum Stockholms, mit dem Nobel-Museum und wieder zurück durch das Straßenwirrwarr zu unseren Rädern. Jetzt eine Stärkung mit Wurst und Brot bevor wir den Rückweg zum Campingplatz antreten. Es ist dann bereits nach 17.00 Uhr und wir landen im Chaos des Berufsverkehrs. Tausende von Radlern bahnen sich ihren Weg durch die Stadt und wir mittendrin. Die Staus der Fahrräder vor den Ampeln sind deutlich länger als die der Autos, es wird überholt, was das Zeug hält, und das Ganze in Richtung Westen, wo uns die tiefstehende Abendsonne auch noch die Sicht raubt. Allmählich, je weiter wir uns vom Zentrum entfernen, wird der Verkehr weniger, dafür führt uns das Navi an der Nase herum. Keine Ahnung wie, aber irgendwann haben wir dann doch wieder den Campingplatz erreicht.
Und morgen das ganze nochmal. Na Bravo.

Tag 16 – 8. Juni 2023 – Stockholm

Auf zum Nationalmuseum ins Zentrum Stockholms. Bereits kurz nach 10 Uhr sind wir vor Ort, das Museum öffnet aber erst um 11 Uhr. So schlendern wir weiter auf die Insel … vorbei am Segelschiff …, das gerade restauriert wird, blicken hinüber zum Schloss in dem die „Sommerlatte“ wohnt, bewundern im Park des modernen Museums die gewaltigen und grell-bunten Leiber der Nicki de Saint Phalle, neben denen die Maschinen von Tinguely unentwegt ihre Arbeit tun und doch neben den grellen Figuren kaum auffallen.
Jetzt gehts rein ins Nationalmuseum, erst in die Skulpturenhalle, nichts, was man nicht schon irgendwo gesehen hätte, außer dass hier die weißen Köpfe wichtiger Schweden zu bewundern sind. Ganz oben beginnt es dann im 16. Jahrhundert, schön präsentiert in großartigem Ambiente sind diese Werke immer wieder beeindruckend und endet irgendwo im Hier und Jetzt eine Etage tiefer.
Nach so viel Kultur wollen wir in die angepriesenen Konsumtempel NK und Galleria oder so ähnlich, stellen aber fest, dass Winfrieds Fahrrad einen Plattfuß hat. Wie immer haben wir weder Ersatzschlauch noch Flickzeug dabei. Gut, die Befragung von „Startpage“ (verwende ich statt Google etc. – Startpage soll die sicherste Suchmaschine der Welt sein laut Stiftung Warentest) zeigt einen Fahrradladen in etwa einem Kilometer Entfernung. Die Räder schiebend bahnen wir uns den Weg dorthin und werden prompt bedient. Ein neuer Schlauch und ca. 3 Minuten Arbeit und wir sind 379 Kronen los. Aber zum Glück hat’s funktioniert. Wir steuern unsere Ursprungsziele an, müssen aber feststellen, dass sie außer teuer nichts zu bieten haben. Da jetzt auch bei uns die Luft raus ist, es bereits auf halb vier zugeht und wir auf keinen Fall wieder in das Feierabendgetümmel wollen, radeln wir zurück zum Campingplatz. In der Tat ist es heute deutlich entspannter.

Tag 17. – 9. Juni 2023 – Stockholm (Bredängs) – Schloss Gripsholm – Karlstad

Gestern haben wir beschlossen, jetzt möglichst zügig nach Norwegen und dort nach Bergen zu fahren. Heutiges Zwischenziel ist das Schloss Gripsholm am Mälarsee, es liegt auf unserer Reiseroute westlich von Stockholm. Viele Autos am Parkplatz lassen ziemlichen Besucherandrang befürchten. Um so erfreulicher, dass das ganze Schloss teilweise uns alleine zu gehören scheint. Die junge Frau am Ticketschalter spricht gleich in einem perfekten Deutsch mit uns, sie hat die deutsche Schule besucht und ein Teil ihrer Familie ist deutsch, erzählt sie uns. Auf die Frage nach dem Grab von Tucholsky, der in Mariefred, so heißt der Ort hier, 1935 starb und beerdigt ist, holt sie sofort einen Plan aus der Schublade und zeigt uns den Weg dorthin, den wir gut fußläufig von hier erreichen können. Zunächst aber besichtigen wir das Schloss, durchwandern die Räume nahezu alleine, eine Museumsangestellte zeigt uns im ersten Raum das Porträt des Schlossgründers König Gustav Wasa, dessen Krönung sich dieses Jahr am 6. Juni zum 500. Mal jährt.
Ein Highlight in der oberen Etage ist das schlosseigene Theater, das im Originalzustand aus dem Jahre 1780 erhalten ist, mit dem Halbrund des Zuschauerraums und der reich geschmückten Bühne. Auch die Bühnentechnik ist noch komplett erhalten. In den angrenzenden Räumen, die größtenteils als Gästezimmer dienten, findet sich heute die nationale Portraitsammlung mit Bildnissen wichtiger Personen bis zum heutigen Tag.
Nach der Besichtigung und der anschließenden Schlossumrundung im Park machen wir uns auf den Weg durch Mariefred zum Friedhof mit dem Grab von Tucholsky.

Tag 20 – 12. Juni 2023 – Flam – Flambahn – Myrdal

Bevor es heute losgeht mit der Flambahn durch spektakuläre Landschaft fahre ich mit dem Rad zum Bäcker. Zunächst wieder verbotenerweise über die falsche Brücke, die eigentlich von der anderen Seite als Einbahnstraße befahren werden darf, dann Schock beim Bäcker. Läppisches Weißbrot 65 Kronen, also über 6 Euro, Croissant 50 Kronen, die spinnen, die Norweger. Rechtzeitig zum Verladen unserer Räder sind wir an der Bahn, die Schlange vor dem Einstieg ist schon recht ordentlich. Es dominieren Gruppen aus dem asiatischen Raum, die aber durch ein Absperrgitter von uns Individualtouristen getrennt sind. In der Bahn beziehen wir beiderseits Stellung, Winfried rechts, ich links, man weiß ja nie, wo die gute Seite ist. Die Bahn ist nicht voll beladen, von daher ist das kein Problem. Nach der Abfahrt und beim ersten Wasserfall springen dann alle nach rechts und zücken ihre Fotoapparate. Gerade unser Platz scheint hierfür prädestiniert zu sein, da kann auf die hier sitzenden keine Rücksicht genommen werden. Eine in Leggings verpackte Italienerin ist dabei besonders penetrant. Es haben alle Fensterplätze, ich weiß nicht, warum sie alle bei uns rumturnen. Da die Fotoaufnahmen aus dem Zug ohnehin nicht die besten sein werden und wir ja alles nochmal ganz individuell bei unserer Abfahrt mit dem Rad vor die Linse bekommen, hält sich unsere Aufregung in Grenzen. Nun aber zum Wesentlichen. Die Landschaft ist schon sensationell, von einem Wasserfall nach dem anderen stürzen die Wassermassen ins Tal, links und rechts steigen die Felswände auf, ein tosender Gebirgsbach sammelt die Wasser der Wasserfälle und bahnt sich seinen Weg in Tal. Mit lautem Quietschen rumpelt der Zug nach oben, verschwindet immer wieder in einem Tunnel und mit ihm auch wir, entlässt uns wieder daraus, um Neues, noch Spektakuläreres preiszugeben. Dann aber der einzige Halt auf der Strecke mit 5-minütiger Fotopause. Alles stürzt aus dem Zug und rüber zum Geländer wo sich von oben die Wassermassen des Kjosfossen in die Tiefe stürzen. Klick, klick, Selfie, Selfie, alles im Kasten, was ist das? Wikingermusik oder wie immer diese etwas mystischen Klänge zu bezeichnen sind, schallen von oben und erst nach einiger Zeit bemerke ich, dass sich dort oben rechts vom Wasserfall eine rot gewandete Blondine zu den Klängen windet. Wird natürlich auch von mir abgelichtet, wenngleich das Geschöpf für wirklich gute Aufnahmen viel zu weit entfernt ist. Ob das noch ’ne echte Frau ist oder schon ihr digitaler Zwilling? Wer weiß, bei den Norwegern, wo ja alles irgendwie digital passiert, gut möglich. In Myrdal, dem Zielbahnhof, warten unzählige Menschen mit Koffern, die mit ins Tal wollen, was wollen die da? Wir aber verlassen den Zug, und fahren nicht wie 95 % der Fahrgäste wieder mit dem Zug zurück und holen unsere Fahrräder am Zugende ab. Nur insgesamt 4 Räder waren an Bord, na wenigstens gibt es dann auf dem Weg nach unten kein Gedränge.
Nun aber Helm auf und ab. Gilt es doch, zunächst die 21 Haarnadelkurven mit ihrem dramatischen Gefälle zu bezwingen, was wir gut auf die Reihe bekommen. Nun kommen wir voll auf unsere Kosten, ein Anblick schöner und spektakulärer als der andere. Man wird mit dem Fotografieren und Filmen gar nicht fertig. Selbstverständlich wird auch unsere Abfahrt von uns immer wieder dokumentiert. Nach dem steilen ersten Stück geht es gemächlich talwärts und wir können uns voll auf die Landschaft konzentrieren. Nach der Hälfte der Wegstrecke legen wir auf einem Felsen direkt neben der Bahnlinie unsere Mittagspause ein, müssen dann aber feststellen, dass keiner von uns beiden die vorbereiteten Brote eingepackt hat. Dann also nur Tee und ein paar alte Früchteriegel, sicher mit bereits abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, aber gut, dass die jetzt weg sind.

Tag 21 – 13. Juni 2023 – Flam – Sognefjord

Auf zum Sognefjord heißt die Devise. Nach stundenlangem zum Teil abenteuerlichen Gekurve landen wir am Abend weit im Westen auf dem Campingplatz Botnen Camping am Sognefjord. Aber alles der Reihe nach. Nach dem Aufbruch am Morgen gehts zunächst Richtung Bergen. Ein Wasserfall nach dem anderen, aufsteigende Berghänge, wunderbare Landschaft, Flussläufe oder gar Fjorde, wer weiß und Tunnel über Tunnel. Wir verlassen die Hauptstraße E14 und haben 50 km Abenteuer vor uns. Die Straße zum Teil kaum breiter als das Auto, Kurve auf Kurve, sodass man keine vorausschauende Sicht und plötzlich ein entgegenkommendes Fahrzeug vor sich hat. Gut, es gibt immer wieder kleine Ausweichstellen, aber oft ist die Ausweichstelle nicht zur Stelle, wenn man sie braucht. Irgendwie geht es aber trotzdem immer. Dann aber der Supergau: Tunnel, unbeleuchtet, sehr eng, sehr alt, sehr lang, kaum höher als unser Auto und dann kommt uns nach etwa einem Kilometer der erste Laster auf der Strecke überhaupt entgegen, der wohl davon ausgeht, dass wir Platz machen, nur wohin. Nun heißt es einen Kilometer rückwärts fahren im engen dunklen Tunnel und ich am Steuer. Irgendwann, ich weiß nicht wie, ist es dann geschafft. Jetzt nochmal rein und Stoßgebet zum Himmel, dass nicht nochmal so einer daherkommt. Zum Glück nicht. Jetzt kann mich nichts mehr erschüttern und so landen wir dann auf besagtem Campingplatz Botnen am Sognefjord. Schöne Lage direkt am Fjord, wir besetzen den erstbesten Platz am Wasser und nach einer Ruhepause erkunden wir die Gegend mit dem Rad. Wir stellen fest, der Campingplatz hat ja noch einen schöneren Platz, kurz wir ziehen um. Die Freude aber währte nicht lange. Angler aus dem deutschen Osten durchwandern unseren Platz mal von hinten, mal mitten durch an uns vorbei, einer beschwert sich gar, dass unsere Räder da stehen. Hier würden die Angler immer durchgehen, meint so eine Osttussi. Zur Verständigung muss man sagen, dass es ein ganz normaler Platz ist, den wir gewählt haben und es ist ja freie Platzwahl. Aber nicht nur, dass sie ständig über unseren Platz wandern, sie okkupieren die nahegelegene Sitzgelegenheit, die ganz offensichtlich auch zu unserem Platz gehört, unterhalten sich lautstark in ihrem unsäglichen AFD-Gewäsch und das bis nach Mitternacht. Wie ich sie gefressen habe, diese Typen.
So können wir diesen schönen Platz so gar nicht richtig genießen und ziehen uns schon bald ins Auto zurück.

Tag 22 – 14. Juni 2023 Sognefjord – Solneset Farm-Hotel bei Bergen

Es ist 4 Uhr am Morgen, die Sonne steht schon wieder am Himmel, ich habe bis nach zwölf gearbeitet und da war es immer noch nicht richtig dunkel, was es hier so kurz vor Mittsommer auch gar nicht gibt: dunkle Nächte.
Also, um 4 Uhr stehen wir auf, packen unsere sieben Sachen, frühstücken, brechen auf, um zwei Kilometer weiter die Wanderung auf das Plateau hinter uns zu erwandern, eine Empfehlung zweier noch älterer Wohnwagenfahrer aus Schwäbisch-Hall. Von hier soll man weit hinein in den Fjord sehen und auf der anderen Seite den Atlantik. Wir treten also viertel vor fünf die 2,5-stündige, ständig aufwärts führende Wanderung an. Herrliche Ausblicke über den Fjord tun sich auf. Vollkommen erschöpft erreichen wir den Gipfel und ruhen uns auf unserer Minidecke, die immer im Rucksack Platz findet, aus. Wir haben auf unserer Wanderung nicht einen Menschen gesehen oder getroffen, einzig ein aufgeregter Vogel, wir können ihn nicht näher benennen, fliegt aufgeregt trällernd kreuz und quer. Ob wir ihn gestört haben? Dann den gleichen Weg wieder abwärts, die Beine sind schwer, wir kommen nicht nur einmal ins Rutschen und setzen uns auf den Hosenboden. Nach zwei Stunden Abstieg haben wir das Auto wieder erreicht und wir müssen unsere Glieder jetzt erstmal wieder sortieren. Winfrieds Beine wollen grad so gar nicht mehr und so übernehme ich heute nochmal das Steuer, ganz gegen die Regel des täglichen Fahrerwechsels.
Wir erreichen unser heutiges Ziel das Solneset-Farm-Hotel, einen Bauernhof etwa 20 km von Bergen entfernt. Wir stellen uns auf einen Wiesenplatz, der glücklicherweise noch frei ist, warum manche sich freiwillig auf so einen exakt abgezirkelten Schotterplatz stellen, bleibt uns ein Rätsel.
Auf dem zum Campingplatz gehörigen See schnappen wir uns ein schon etwas klappriges Boot und rudern raus, kreuz und quer über den See und stellen fest, dass uns das großen Spaß macht.
Mit dem Rad gehts anschließend nochmal ins nächste Dorf einkaufen, dann Essen und bald ins Bett, der Tag war sehr lang. Ach ja, auf unserem Campingplatz sind drei ältere Herren aus Künzelsau, die mit ihren alten Traktoren, der älteste ein Eicher, 60 Jahre, am Nordkap waren und jetzt allmählich südwärts fahren.

Tag 23 – 15. Juni 2023 – Bergen

Mit dem Fahrrad gehts am Vormittag knapp 7 km zur Bahnstation Arna. Von dort bringt uns in wenigen Minuten ein Zug nach Bergen. Wow, alles in top Zustand und hochmodern. Mein lieber Schwan, da hinkt Deutschland Jahrzehnte hinterher.
In Bergen angekommen, gehts erstmal zur Info. Mit einem Stadtplan bewaffnet traben wir erst durch den Fischmarkt und staunen, was für Viecher da auf den Tisch kommen sollen. Es ist jede Menge los in der Stadt. Gegenüber auf der anderen Hafenseite die berühmte Häuserfront mit den farbigen Giebeln der ehemaligen Handelshäuser, die aber heute alle touristisch genutzt werden von Boutiquen, Gaststätten und Hotels etc. Schade, einige der Häuser werden gerade restauriert. Man hat zwar versucht, mit bedruckten Folien vor den Gerüsten, die Baustellen zu kaschieren, so richtig gelungen ist es aber nicht. Aber ja, irgendwann muss halt auch Sanierung sein. Am Ende der Häuserzeile im alten Königshof, den Hakons-Hallen spielt gerade ein Marine-Blasorchester. Wir marschieren hinter die Häuserzeile, kommen schließlich zur Talstation der Floibane, einer Standseilbahn, mit der es hinauf auf den 320 m hohen Floyen-Berg geht. Die Schlange der Wartenden ist uns zu lange und wir laufen weiter Richtung Altstadt und machen im Park gegenüber dem Rathaus-Hochhaus unsere Mittagspause.
Danach gehts dann nochmal zur Bahn und kein Mensch an der Kasse, also doch noch hinauf. Ja, ok, muss man nicht haben. Die Aussicht auf Bergen ist ok, haut uns aber nicht um, außerdem ist es irgendwie diesig und wir sind schon recht erledigt, heißt wir fahren recht bald wieder hinunter, gehen zum Bahnhof, nehmen den nächsten Zug und fahren zurück zum Campingplatz. Wir würden noch gerne eine weitere Nacht bleiben, geht aber nicht, unser schöner Platz ist schon reserviert und einen anderen wollen wir nicht.

Tag 24 – 16. Juni 2023 – Solneset – Fossen Bratte – Steinsdalsfossen – Voringsfossen – Saebo Camping Ofre Eidfjord

Schon vor acht verlassen wir den Campingplatz und es geht Richtung Osten am nördlichen Ufer des Hadrangerfjords entlang. Zweimal müssen wir wenden, da uns das Navi stets auf die kürzere, schnellere, bequemere Route führen will und wir es nicht sofort merken. Der erste Wasserfall, der Fossen Bratte zur Rechten, liegt noch im morgendlichen Schatten. Wir wandern hinunter zum Fuß des Wasserfalls. Schön ist er und er versprüht weithin seine Gischt. Hätten wir nicht gerade erst geduscht und gefrühstückt, hier wäre der ideale Ort dafür an einer der hier auf unterschiedlichen Höhen bereitgestellten Sitzgelegenheiten und weit und breit niemand außer uns hier. So aber knipsen wir ein paar Fotos und versuchen dann möglichst trocken wieder hinaufzukommen.
Die weitere Fahrt am Fjord entlang ist wirklich grandios, aufsteigende Felswände, vom glitzernden Wasser des Fjords begleitet, erreichen wir den zweiten großen Wasserfall heute, den mit seiner Steinsdalsfossen. Vom Parkplatz, der bereits sehr gut besucht ist, wandern wir hinauf, der Weg führt hinter dem Wasserfall vorbei, das hatten wir hier noch nicht, eine ungewöhnliche Perspektive. In einem der Geschäfte unten am Parkplatz ergattert Winfried endlich seinen Norwegen-Hoody in Rot!
Weiter geht die Fahrt. Zwei große Brücken über den Fjord und abenteuerliche Tunnel, die sich im Fels in mehr als 360 Grad nach oben schrauben und, das haben wir ja noch nie erlebt, zwei Kreisverkehre im Tunnel, sprich zwei sich kreuzende Tunnels. Dann oben, ein großer Parkplatz, extra Plätze für Wohnmobile ausgewiesen, kostenlos und dann der spektakuläre Anblick des, besser gesagt der Voringsfossen, denn es stehen sich zwei gegenüber und schicken ihr Wasser mit starkem Getose nach unten. Tief eingeschnitten die Schlucht, in der sich die Wasser sammeln und talwärts fließen, links und rechts aufsteigende Felswände und der Blick reicht weit hinein in die Schlucht. Ein wirklich gigantischer Anblick. Wenn dann die Gischt noch von der Sonne zum Regenbogen gemalt wird, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Winfried lässt die Drohne fliegen. Irgendwann ist alles im Kasten und hoffentlich auch im Kopf und wir fahren einige Kilometer zurück zu einem Campingplatz am Fluss, der uns bei der Herfahrt aufgefallen ist. Dort, dem Ovre Eidfjord Camping quartieren wir uns für zwei Nächte ein. Wir finden einen herrlichen Platz direkt am rauschenden Wasser zwischen Bäumen. Nach unserer Mittagsbrotzeit kommen dann zum ersten Mal auf dieser Reise die Hängematten zum Einsatz und wir dösen beim Rauschen des Wassers in den Nachmittag hinein.

Tag 25 – 17. Juni 2023 – Saebo Camping Ovre Eidfjord

Wir lassen es langsam angehen, heute. Lediglich eine kleine Radtour steht auf dem Programm, ansonsten einfach mal nichts tun. Unsere Tour führt am Fluss Olbogo entlang, zunächst durch das Dörfchen Ovre Eidfjord dann weiter bei stetigem Anstieg Richtung Hjolmadalen. Ein erster herrlicher Anblick auf ein stürzendes Wasser und schon wieder Foto, Foto. Die Teerstraße endet und weiter geht es auf schmalem Schotterweg. Ein Hinweisschild, sogar auch in deutscher Sprache, mit der Warnung, dass nur Kleinfahrzeuge hier weiterfahren können wegen der Enge der Straßen und Kurven und der Steigungen. So kommen wir beim Weiterfahren trotz E-Bike wieder ordentlich ins Schwitzen. Höher und höher geht es rauf und immer wieder neue Perspektiven auf den Wasserfall und die massiv aufsteigenden Felswände. Einmal übersprüht uns der Wasserfall gänzlich mit seiner Gischt uns sorgt für ordentliche Abkühlung und das Tosen der Wasser schluckt jegliche andere Tonquelle. Die Akkus unserer Räder zeigen nur noch zwei Einheiten, allzu hoch darf es jetzt nicht mehr gehen. Dann ein größerer freier Platz, mit herrlichem Blick auf den Wasserfall. Hier legen wir unsere Pause ein, schön wär es auch hier zu übernachten, vorausgesetzt man wagt sich mit dem Auto hier hoch. Wir beschließen noch weiter zu fahren, schließlich reicht eine Akkueinheit sicher leicht für den Rückweg. Meine Beine schmerzen schon heftig und jeder Tritt fällt mir schwer. Da erreichen wir einen Wanderparkplatz mit Toilette und zwei einsam stehenden Häuschen. Nur ein Auto steht dort und ein Motorrad. Wir beschließen noch eine kleine Wanderung zu machen und folgen der Route mit dem großen T. Auch hier ist der Wasserfall präsent, wenngleich nicht immer sicht- aber hörbar. Der steinige Weg führt durch lichten Laubwald mit viel Farn und Schwarzbeerstauden. Dunkle Wolken ziehen auf und an einem weiteren schönen Aussichtspunkt in die Tiefe Schlucht hinein treten wir den Rückweg an. Die Sonne ist nun verschwunden und bei der Abfahrt schlägt uns dort, wo der Wasserfall seine Gischt versprüht, eisige Kälte entgegen, die aber glücklicherweise bald wieder von angenehmer Temperatur abgelöst wird.

Tag 26 – 18. Juni 2023 – Saebo Camping Ovre Eidfjord – Haraldshaugen Camping Haugesund

Dreieinhalb Stunden Fahrt stehen heute an nach Haugesund an der Nordsee. Die Route führt zunächst am Sorfjord entlang. Wieder aufsteigende Steinwände, Wasserfälle und schäumende Flüsse. Rund um Lofthus die Hänge über und über voll mit Obstbäumen. Schade, dass noch keine Erntezeit ist, so lecker Kirschen wären jetzt sehr schön.
Es folgen dann noch Akrafjord und später Grindefjord. Zwei spektakuläre Wasserfälle liegen an unserer Strecke. An ersterem, dem Latefoss, können wir nicht anhalten, alles zugeparkt, am Langfoss dann Halt. Merkwürdigerweise führt die Straße direkt vor dem Wasserfall vorbei, sodass es eines geschickten Fotografen bedarf, dieses unschöne technische Werk auszublenden. Im Internet lese ich was vom „schönsten Wasserfall“ Norwegens. Komisch. Irgendwann wechselt die Landschaft und es sieht aus wie in einer Alpenlandschaft.
Kurz bevor wir unser heutiges Ziel erreichen, fällt die Temperatur minütlich von 25 Grad auf 16, was ist da los? In der Ferne aus Richtung unseres Ziels hängen entweder Rauch- oder Nebelschwaden. Beim Näherkommen wird dann klar, über der Nordsee hängen tiefe Nebelschwaden, die der Wind in Fetzen Richtung Land treibt. Beim Ankommen am Campingplatz stellen wir fest, dass ein Teil in der Sonne, der direkt dem Meer zugewandte im milchig im Nebel liegen. Seltsame Atmosphäre, die auch permanent wechselt. Wir stehen in der zweiten Reihe, dem Meer zugewandt. Hier ist alles ganz genau geregelt, wer wie zu stehen hat, welcher Stromanschluss zu wem gehört etc. Wir spazieren zur Landspitze KvalenVyr, es ist kühl und nebelig, der kleine Leuchtturm oder das Leuchtfeuer am Ende, ist im Nebel kaum zu auszumachen. Vor der Küste hört man den Motor eines Bootes, allmählich taucht schemenhaft ein Fischerboot aus dem Nebel.
Bei unserer Rückkehr zum Auto beschließen wir, mit dem Rad nach Haugesund zu fahren, gesagt, getan, es sind nur ein paar Minuten. Eine merkwürdige Stadt im Raster errichtet, einige schöne alte Gebäude. Wir durchfahren die Fußgängerzone, die endlos geradeaus dahinläuft und nur von einigen im rechten Winkel zulaufenden Querstraßen unterbrochen wird. Wir machen endlich den Bäcker ausfindig, von dem uns zwei Ossis auf dem Campingplatz erzählt haben und der ist sogar geöffnet. Im Laden jedoch nimmt uns zunächst keiner wahr und schließlich teilt man uns mit, dass bereits geschlossen ist. Es ist kurz nach 16 Uhr an einem Sonntag, geschlossen wurde um 16.00 Uhr und jetzt werden die noch verbleibenden Gebäckteile in großen Tüten abgepackt und wohl von Leuten irgendwelcher Wohlfahrtseinrichtungen abgeholt. Wir verlassen den Laden und draußen spricht uns eine der Abholerinnen an und bietet uns 2 Brötchen aus ihrem Vorrat. Da wir keinerlei norwegische Kronen in bar haben, können wir uns nur mit einem Dankeschön erkenntlich zeigen.
Wir fahren eine Querstraße weiter runter zum Wasser. Ja, was um alles in der Welt hat man da verbrochen? Ein Monster von einer Brücke, doppelt so hoch als die meisten Häuser spannt sich über das Wasser, direkt an die Häuser geklebt. Scheußlich, wie kann man so etwas zulassen.
Auf dem Rückweg fahren wir über den großen Obelisken unweit des Campingplatzes, das
Norways national Monument Haraldshaugen. Über dem Meer ragen die Rotoren zweier Windräder aus dem Nebel, schemenhaft ist eine Insel zu erkennen und aus der Ferne die dumpfen Töne eines Nebelhorns. Zurück am Campingplatgz ist der Nebel zur Gänze verschwunden, die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Vielleicht erleben wir heute den Sonnenuntergang so gegen 11 Uhr nachts. Einige Tage vor der Sommersonnenwende ist hier der helle Tag unendlich lang.

Tag 27 – Montag, 19. Juni 2023 – auf zum Campingplatz Preikestolen

Um sechs Uhr morgens ist für uns die Nacht bereits zu Ende. Wir duschen, frühstücken und ab gehts Richtung Starvanger. Wir nehmen die kurze kostenpflichtige Route, durchqueren endlos lange Tunnels, landen dann auf einer Fähre und sind gegen 10 Uhr bereits am Campingplatz Preikestolen. Noch gibt es ausreichend Platz hier, wir stellen uns irgendwo hin und ich muss mich kurz aufs Ohr legen. Gegen halb zwölf beschließen wir, bereits heute zum berühmten Stein Preikestolen zu wandern. Wir stärken uns bei Wurst, Käse, Butter, Brot und Wasser, packen noch Proviant in unsere Rücksäcke und fahren dann mit den Rädern zum Ausgangspunkt der Wanderung, 4 Kilometer bergan. Wir passieren den ersten Parkplatz, der wohl bereits voll besetzt ist, sehen links in den Wald hinein ein Wanderschild und zurren unsere Räder aneinander und marschieren los. Ich fühle mich nicht besonders fit und habe noch die Beschreibung der Wanderung aus dem WoMo-Führer im Kopf, wonach diese Tortur kaum zu überleben ist. Wenn ich allerdings sehe, was sich da alles auf dem Weg tummelt, kann ich nicht glauben, dass das alles die absoluten Wanderprofis sind. Ich frag dann auch eine Holländerin, die bereits zurückkommt, ob sie ganz oben war und ob sie glaubt, wir könnten das auch schaffen. Ja, man hat ja viel Zeit, meint sie. So geht es denn stetig bergan und der Weg ist steinig und felsig, mal mehr, mal weniger steil, die Felsbrocken schon ziemlich groß. Der Weg ist gut eingelaufen, schließlich ist der Preikestolen der Anziehungspunkt hier im südlichen Norwegen. Ganze Busladungen, viele Asiaten und vor allem Holländer turnen zum sagenhaften Plateau. Doch, was soll ich sagen, nach weniger als zwei Stunden haben wir das Plateau erreicht, es war deutlich weniger anstrengend als befürchtet. Unsere Wanderung vor einigen Tagen am Sognefjord war um einiges anstrengender. Das Felsplateau ist gut besucht und bietet schon grandiose Aus- und Anblicke. Ganz an der vorderen Spitze tummeln sich die Selfieakteure in heraldischen Posen und lassen sich ablichten. Schön der Reihe nach tritt man dann einzeln vor zum Showdown. Wir reihen uns ein und ich entblöde mich nicht, auch dort fotografiert zu werden. Dann gibts Brotzeit zur Stärkung für den Abstieg.
Der Rückweg hat andere Tücken, der Abstieg über die Steine geht sehr in die Knie und wenn einem die Arthrose ohnehin schon zu schaffen macht, ist es kein direktes Vergnügen. Winfried weiß ein Lied davon zu singen und muss dann den herausfordernden Teil mit den extremen Stufenabständen auch im Querschritt absteigen.
Ungefähr einen Kilometer vor dem Ziel liegt eine uns durchaus heute schon mehrfach aufgefallene Holländerin mit schmerzverzerrten Zügen in den Armen ihres Mannes auf dem Weg. Kurze Zeit später kommen uns dann laufend Bergretter und ein Notarzt entgegen. Wir fragen uns, wie man die Frau, die sicher nicht mehr in der Lage ist zu gehen, hier wohl zu Tal bringt.

Am Campingplatz herrscht volles Tohuwabohu, Fremde laufen wie üblich über unseren Platz, Hunde bellen, Motoren heulen auf, Hämmer schlagen, Autotüren knallen, Kinder schreien, lautstark die Unterhaltungen in allen möglichen Sprachen, Kochgeschirr klappert, Schafe blöken, Motorräder fahren zwischen den parkenden auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht. Ja, was will man sagen, kostet ja nur 430 Kronen die Nacht. Achtung Satire!
Und jetzt, da wir beschlossen haben, Norwegen zu verlassen, öffnet der Himmel zum ersten Mal auf unserer 4-wöchigen Reise seine Schleusen.

Tag 28 – Dienstag, 20. Juni 2023 Camping Preikestolen – Fähre Kristiansand – Hirtshals in Dänemark – Camping Svinklov

Am Morgen zeigt sich der Himmel von seiner unschönen Seite, dichte Bewölkung und leichter Nieselregen machen uns die Entscheidung leicht: Wir fahren heute nach Kristiansand und versuchen eine Fähre nach Dänemark zu bekommen. Der Routenplaner zeigt die Ankunftszeit in Kristiansand Fährhafen für 13 Uhr. Nach Recherche gibt es eine Fähre der Fjord Line um 15.00 Uhr. Ich buche online und nach zahlreichen Tunnels und Brücken sind wir dann planmäßig am Fährhafen. Vor uns schon eine ordentliche Schlange. Kaum vorstellbar, dass diese ganzen Fahrzeuge auf die Fähre passen. Die Verladung geht dann relativ reibungslos, außer, dass ich Winfried auf die falsche Spur leite und dann ein Schweizer Paar neben uns bitten muss, uns vor ihnen die Spur wechseln zu lassen, wenn es denn wieder weiter geht. Zweieinhalb Stunden geht die Seefahrt, mitunter ist es etwas ruppig und ich habe schon Ausschau gehalten nach den Kotztüten. Im DutyFree Shop erstehe ich 2 Flaschen Rotwein und 2 Tafeln Ritter-Sport Schokolade. Erst beim Zahlen merke ich, dass die Preise hier dänische und nicht norwegische Kronen sind, was die Sache noch teurer macht. Was soll’s. Am Abend gibt es heute jedenfalls nach langer Zeit wieder Rotwein. Anlegen und Ausfahren gehen rasch, wir wollen ein Stück südwärts und landen schließlich bei Svinklov Camping direkt in den Dünen an der Nordsee. Ein weitläufiger Campingplatz, bei dem alles per online-Buchung erledigt werden muss. Gegen Abend kommt die Sonne hervor, wir essen aglio e olio mit Rotwein und machen dann einen langen Spaziergang am Meer. Zum Meer hin sind fast 300 Stufen über die Dünen ab- und dann wieder hinaufzusteigen. Es ist schon um 10 Uhr und die Sonne ist leider hinter einem Wolkenband im Westen verschwunden, bevor sie sich hoffentlich nach kurzer Nacht im Osten wieder strahlend aufgeht.
Kennzeichnung Radweg knatteren verbut.

Tag 29 – Mittwoch, 21. Juni 2023 Camping Svinklov Bekraeftelse Nordsee – Schleswig – Husum

Unser Plan, hier einen geruhsamen Strandtag zu verbringen, geht leider nicht auf. Es regnet am Morgen, der Himmel Grau in Grau und so beschließen wir, weiter Richtung Süden zu fahren, zunächst soll es Flensburg sein, dann aber tatsächlich landen wir in Schleswig, besser gesagt auf der Museumsinsel Schloss Gottorf, das zwei absolute Highlights beherbergt: die 2500 Jahre alten Moorleichen und das 1500 Jahre alte Nydamboot. Äußerst beeindruckend ist die gut erhaltene Moorleiche von Windeby, wahrscheinlich die eines 15-17-jährigen Jungen.
Das 23 m lange Nydamboot ist ein Ruderboot, das im Nydambm-Moor geopfert und 1863 entdeckt und ausgegraben wurde. Es war ein hochseetaugliches Kriegsschiff, das bis zu 45 Mann aufnehmen konnte.
Eine aktuelle Ausstellung im Schloss zeigt realisierte und geplante Projekte des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude und unter anderem ist ein original verpackter VW-Käfer zu bewundern.
Dann gibts Kuchen und Saft im nicht gerade schlosskonformen Ambiente eines CafePavillons. Zum Schluss laufen wir noch durch eine Allee zum rekonstruierten Barockgarten des Schlosses. Dort hat man einer weiteren Besonderheit ein eigenes Gebäude erstellt – dem Globus von Gottorf. Einer der Schlossherren ließ Mitte des 17. Jahrhunderts diesen riesigen Globus mit einem Durchmesser von mehr als 3 Metern erstellen. Er gilt als Wunderwerk zeitgenössischer Handwerkskunst. Im Inneren des Globus, das zu besichtigen ist, wenn man rechtzeitig vor Ort ist, wir waren für diesen Tag bereits zu spät, gibt es einen dreidimensionalen Sternenhimmel zu erleben. Wir jedoch kommen nicht in den Genuss.
Es ist mittlerweile um die 17 Uhr und wir sollten uns allmählich eine Bleibe für die Nacht suchen. Wir haben den Bauern Petersen etwa 10 km von Schleswig entfernt bei Park4night ausfindig gemacht. Was wir da aber nach einigen Irrfahrten antreffen, ist so gar nicht das, was wir uns unter Bauernhofromantik vorstellen. Ein hässlicher zugemüllter Hof, der eine holprige betonierte Fläche neben seinen Ackergeräten den Mühseligen und Beladenen WoMo-Fahren als Bleibe anbietet. Mindestens drei Fahrzeuge dieser Spezies haben sich neben dem Silorondell bereits niedergelassen. Nein danke, lieber auf einem Null-Acht-Funfzehn Parkplatz die Nacht zubringen als hier. Tschüss Bauer Petersen.
Wir beschließen entweder nach Husum oder doch nach Rendsburg zu fahren. Husum wird’s dann. So landen wir etwa viertel vor sieben vor der Schranke des Campingplatzes, ca. 2 km hinter Husum, direkt am Deich gelegen. Die Schranke ist geschlossen, die Rezeption auch. Ein Hinweis an der Tür verweist nach 18 Uhr Gestrandete in den Wohnmobilhafen nebenan. Gegen eine Gebühr von 20 Euro, einem ausgefüllten Zettel und ohne weitere Ansprüche können wir auf einer Grünfläche unser Nachtlager aufschlagen. Etwa 10 weitere WoMos haben dies schon getan.
Nach Ankommen und essen schwingen wir uns auf die Räder und rauf auf den Deich, es ist gerade Ebbe, aber nach Wattwanderung ist uns heute nicht. Die Strandkörbe sind um diese Uhrzeit mit Gittern versperrt. An den Deichen grasen Schafe, überqueren den Radweg, hinterlassen überall ihre Spuren und ich stelle fest, dass Schafe gleichzeitig fressen und scheißen können. Multitasking also.
In der nächsten Ortschaft wenden wir und radeln nach Husum. Am alten Hafen ist abends Treffpunkt für Hungrige, auch hier herrscht die Ebbe und die Boote liegen im Moment im Schlick. Kaum zu glauben, dass die in einigen Stunden wieder im Meer schwimmen können. Husum ist insgesamt ein reizendes Städtchen. Der weitläufige Marktplatz ist um diese Uhrzeit, es ist bereits nach 9 Uhr abends, so gut wie verwaist. Wir holpern auf dem Kopfsteinpflaster noch durch eine reizende Gasse, folgen den Schildern zum Stormhaus, sehen uns dort im Garten um, das Haus selbst kann erst morgen Nachmittag wieder besichtigt werden.

Tag 30 – Donnerstag, 22. Juni 2023 – Husum

Morgens lassen wir es ruhig angehen. Am späten Vormittag radeln wir nach Husum. Zunächst gehen wir zur Info im Rathaus am Markt wegen möglicher Radtour für heute Nachmittag. Wir schlendern dann über den Markt, zwei Marktschreier unterbieten sich mit ihren Spargelangebote. Drei kg für 10 Euro, mannomann, was wird das für einer sein. Die Spargelstangen sind von einer Dicke, wie wir sie aus unseren Spargelanbaugebieten nicht kennen. Sind die dann alle holzig? Weiter geht es durch die Gassen, kaufen uns in einer Bäckerei mit einer sehr netten Verkäuferin eine Erdbeertasche, sitzen uns auf einer Parkbank und genießen das Teil. Bei mir gehts natürlich nicht, ohne mich ordentlich anzukleckern.
Wir wandern weiter durch das Städtchen, sitzen in einem Straßencafé am alten Hafen. Es ist schon wieder Ebbe.